Worum geht es bei dem türkischen Verfassungsreferendum?

Viel wird über die geplante Verfassungsänderung in der Türkei diskutiert, aber worum geht es wirklich inhaltlich jenseits der politischen Rhetorik? Der Jornalist Eren Güvercin sprach mit dem Juristen und Experten für türkisches Recht Prof. Dr. Christian Rumpf über die geplante Reform. Rumpf beschäftigt sich seit langen Jahren mit der türkischen Verfassung und hat zahlreiche Publikationen zum Thema. Sein Uretil über die geplante Verfassungänderung ist vernichtend:

Das wird keine Änderung, sondern die Abschaffung des klassischen Systems einer parlamentarischen Demokratie, der Systemwechsel hin zu einer Diktatur. Die Wurzel des Übels, die natürlich dem türkischen Volk nicht erklärt wird, ist, dass der Präsident nicht nur die Exekutive kontrolliert (wie in den Vereinigten Staaten), sondern über seinen Vorsitz in der Mehrheitspartei auch das Parlament.“

Lesen Sie das Interview auf  dem  Blog von Eren Güvercin oder in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.

Europarat warnt vor „Ein-Personen-Regime“

Auch die Verfassungsexperten des Europarates („Venedig-Kommission“) haben in einem am 10. März vorgelegten Gutachten vor einem „Ein-Personen-Regime“ in der Türkei gewarnt. Zu den in der Schlussfolgerung geäußerten Bedenken zählen folgende Punkte:

  • alleinige Ausübung der exekutiven Gewalt durch den neuen Präsidenten, mit nicht kontrollierter Befugnis zur Ernennung und Entlassung von Ministern und hohen Beamten auf Grundlage von Kriterien, die nur der Präsident festlegt;Möglichkeit, dass der Präsident auch Mitglied oder gar Vorsitzender, Vorsitzende einer Partei ist, wodurch er einen unzulässigen Einfluss auf die Gesetzgebung erhält,
  • Befugnis des Präsidenten, aus einem beliebigen Grund das Parlament aufzulösen, was grundsätzlich unvereinbar mit einem demokratischen Präsidialsystem ist,
  • weitere Schwächung der bereits unzureichenden Möglichkeiten, die der Justiz zur Kontrolle der Exekutive zur Verfügung stehe
  • weitere Schwächung der Unabhängigkeit der Justiz.

Lesen Sie die Pressemitteilung des Europarates.