Journalist berichtet über Lage in der Türkei

Am Mittwoch, 5. Juli, ist der Duisburger Journalist Taner Aday zu Gast in Witten. Im „Alten Fritz“ an der Auguststraße 27 berichtet der frühere Mitarbeiter von Günter Wallraff („Ganz unten“) und ehemalige Mitherausgeber des „Türkei-Info-Dienstes“ über die politischen Entwicklungen in der Türkei seit dem Verfassungs-Referendum im April. Angesichts der alltäglichen Repression und der großen Gleichschaltungswelle in Justiz, Parlament und anderen Medien stellt sich die Frage, welche Spielräume der zersplitterten demokratischen Opposition und den sozialen Bewegungen – von Frauengruppen bis zu Umweltaktivisten –  überhaupt noch bleiben. Welche Perspektiven ergeben sich für die Solidaritätsarbeit und die Zusammenarbeit mit den Exilgruppen? Veranstalter ist das „Wittener Forum Demokratie und Menschenrechte in der Türkei“. Beginn 19 Uhr.

Taner Aday, der nach dem Militärputsch 1980 als politischer Flüchtling nach Deutschland kam, schreibt gerade an einem Buch mit dem Titel „Antipredigten“ über die Frühgeschichte des Islam. In Witten wird er sich aber den aktuellsten Entwicklungen in seinem Herkunftsland widmen. Seit dem Verfassungsreferendum, das Präsident Erdogan mit weitreichenden Vollmachten ausstattete, ist es in der Türkei zu zahlreichen Verhaftungen gekommen, auch von gewählten ParliamentarierInnen. Zunächst war die pro-kurdische Oppositionspartei HDP Ziel der Repression, die inzwischen aber auch die kemalistische CHP erreicht hat. In Erdogans Regierungspartei AKP selbst ist jede kritische Stimme verstummt. Gesetze werden ohne Diskussion angenommen, Parlamentssitzungen sind zur Farce geworden. Nach der Suspendierung zahlreicher oberster Richter, von denen eine ganze Anzahl auch verhaftet wurde, ist die Justiz weitgehend gleichgeschaltet. Prozesse laufen ohne Aktenstudium ab, unerfahrene neue Richter fällen Urteile ohne Kenntnis der Sachlage.

Aufgrund der Unterdrückung der Medien erfährt die Öffentlichkeit nicht mehr ungehindert, dass es in vielen Bereichen und Gegenden der Türkei auch Widerstände gegen den neuen Einheitsstaat der AKP gibt, auch außerhalb der kurdisch besiedelten Gebiete. Am Schwarzen Meer ist weiterhin eine Umweltbewegung aktiv und zum Teil sogar erfolgreich. Zahlreiche unterschiedliche Frauengruppen sind mit Erdogans Weltbild und seinen Maßnahmen keineswegs einverstanden und opponieren mit unterschiedlicher Orientierung. Auch wenn der AKP-Staat das Alltagsleben im Zentrum von Istanbul stark verändert hat, gibt es doch weiterhin Stadtteile und Ausgeh-Meilen, die von einer linken und laizistischen Kultur geprägt sind.

Ein Problem der verschiedenen Widerstände in der Türkei ist ihre starke Zersplitterung, die durch die Repression noch verschärft wird. Es besteht grundsätzlich die Gefahr, dass sich diese Zersplitterung in der Diaspora und im Exil widerspiegelt oder sogar zuspitzt. Eine wichtiger Grundsatz der hiesigen Solidaritätsbewegung sollte deshalb sein, sich nicht auf spezifische politische Gruppierungen, sondern auf Interessen und Menschrechte zu beziehen: Frauenrechte, Umwelt, Stadtzerstörung, politische Gefangene…

Nach einer Einführung von Taner Aday soll die Veranstaltung in ein lockeres Gespräch münden.